Textproben
Irmgard Maria BURTSCHER
Entdeckungsreise in die Welt. Eltern sind die ersten Lehrer
öbv&hpt, Wien, erschienen Ende 2004

Aus der Einleitung:
... Das Buch sollte Eltern auch helfen, sich in ihr Kind besser hineinfühlen zu können, es sollte ihnen seine Art zu empfinden, zu lernen, zu denken und sich die Welt anzueignen verständlicher machen, damit sie ihre Rolle als erste Lehrer noch umfassender ausfüllen können. ...
Konkrete Bilder, Möglichkeiten, Ideen und Beschreibungen einer zeitgemäßen Elternrolle sollten vorgestellt werden. Es sollte ein positives Buch werden, eines das die Stärken von Kindern hervorhebt und die geballte Kraft von bewusster Elternschaft. Das Buch sollte Eltern das Spezifische und Spezielle, das Eltern ihrem Kind im Familienumfeld mitgeben können, bewusst machen und es sollte ihnen ab und zu einen Ausblick darauf geben, welche Gestalt Themen aus der frühen Kindheit später annehmen können ...
Eltern und Kinder haben mehr verdient, als das Recht auf einen Arbeits- beziehungsweise Betreuungsplatz! ...
Zunächst kommen elementare Themen zur Sprache: "Der Körper" und "In der Welt sein". Unsere körperliche Existenz in dieser Welt ist die Ausgangsposition für Entdeckungen. Wie Kinder diese beiden Gegebenheiten erleben und auf welche fundamentale Art und Weise Eltern sie dabei begleiten können, wird analysiert und beschrieben. ...

Aus: Die Eltern
... Was für ein Entwicklungsanreiz für das Kind: das elementare Erlebnis eines weiblichen und eines männlichen Körpers" ...

Aus: Empfängnis und Geburt
... Das namenlose Kind. Am Ultraschallbild wurde festgestellt: "Es wird ein Junge." - Es ist ein Junge! Die Nachbarin fragt die frisch gebackene Oma: "Und, was ist es?" "Es ist ein Jakob!" - Es ist ein Jakob? Wie ungewohnt, plötzlich gibt es in der Familie einen Jakob. Dieses kleine Menschenkind mit einem so erwachsenen Namen. ...

Aus: Schlafen
... Verwirrende Bilder, entstellte Wirklichkeit, beängstigende Handlungsfetzen, irregeleitete Entdeckungsreisen, vorgegaukelte Lustbarkeiten, Wunschträume, die ausgerechnet im Traum wahr zu werden scheinen, Betrug und Verrat, wie können Eltern ihrem Kind begreiflich machen, dass ein Traum nur eine "Fatamorgana der Nacht" ist?

Aus: Verwundbar und vergänglich
... Dann entdeckt das Kind einen toten Käfer. Es stößt ihn behutsam an. Dabei krabbeln die Käfer sonst weg, das ist lustig. Dieser bleibt reglos liegen. "Was ist mit ihm, ist er krank?" "Nein", sagt die Mutter, "er ist tot." Und da ist es gefallen das Wort, zum ersten Mal: tot. Das Kind kann damit nichts verbinden. ...

Aus: Wachstum
... Kaum ist der Mund mit Milchzähnen gefüllt, beginnt auch schon wieder der erste Zahn zu wackeln und dann der nächste und noch einer. Welcher fällt wohl zuerst aus? Die erste Zahnlücke! Der ausgefallene Zahn wird zum Schatz, er braucht eine Schatztruhe. "Ein Teil von mir!", eingebettet in den Samt des Schmuckkästchens der Mutter. ...

Aus: In der Welt sein
... Die Welt, so wie sie ist, oder uns Menschen vielleicht auch nur erscheint, bestimmt seit frühester Kindheit mit Eindringlichkeit und Vehemenz unser Lebensgefühl und hat sich in unser Daseinsempfinden tief eingeprägt. ...

Aus: Hell und dunkel
Hell und dunkel, Tag und Nacht, die Sonne ist am Himmel oder untergegangen und wir warten - schlafend - bis sie wieder aufgeht und ein neuer Tag beginnt. Das sind Grundkonstanten unseres Lebens. Wie gehen wir damit um? Wie lernen wir als Kind damit umzugehen? ...

Aus: Spaziergänge mit dem Kinderwagen
... Aber der Hund und vor allem sein lautes Bellen, haben einen tiefen Eindruck hinterlassen. "Das war ein Hund, der macht wau, wau", sagt der Vater noch einmal und zeigt auf den sich entfernenden Hund. Was für ein müder Versuch, Hundelaute in Worte zu fassen! Trotzdem haben sich diese Laute beim Kind eingeprägt. Doch es braucht die Wiederholung. ...

Aus: Mutter- und Vatersprachen
Das Kind reist mit den Eltern im Schnellzug durch Österreich, am Bahnhof wird die Großmutter warten. Sie redet Vorarlbergerisch, wie der Vater, ein bisschen. Die schöne Landschaft saust am Fenster vorbei. "Guten Tag meine Damen und Herren ...", aus dem Lautsprecher ertönt eine freundliche Stimme. Nach der hochdeutschen Durchsage mit typisch tirolerischem Unterton folgt die englische mit österreichischem Akzent: "Ladies and Gentlemen ..."

Aus: Die Verwandtschaft
Verschlafen schaut Jakob in die vielen Gesichter. Alle sind sie gekommen, weil er heute vor einem Jahr als neues Familienmitglied zur Runde dazugestoßen ist. "Alles Gute zum Geburtstag!", wird ihm zugerufen. Jemand stimmt ein Liedchen an und alle singen mit ...

Aus: Schlussbemerkung
... Eines müssen wir uns als Gesellschaft dringend vor Augen führen: Die bewusste Begleitung unserer jüngsten Kinder ins Leben hinein gibt es nicht zum Nulltarif, es reicht heute nicht mehr aus, kleine Kinder nur nebenher - neben der "großen Welt" der Erwachsenen, die nicht gestört werden darf - irgendwie mitlaufen zu lassen, sie zu verwahren und irgendwo, wie gut gemeint auch immer, versorgen zu lassen. ...
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